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01. SEPTEMBER 2022 DREI STREIFEN, EIN SCHNAUZER, EIN STAR

Denken wir zurück an den 29. August 1972 – der Moment jährt sich also zum 50.en Mal:

Mark Spitz posiert lässig als Sieger über 200 Meter Freistil, sehr lässig ist er. Cool, wie er gerade lächelnd olympische Regeln durchbricht.

Dazu gleich mehr.

Werfen wir vorher noch einen kurzen Blick auf den Mann, der Bronze gewonnen hat. Blond ist er, heißt Werner Lampe. Auch er ist ein ziemlich helles Licht in der Schwimmer-Szene.

Werner Lampe aus Hannover schwimmt im Vorlauf mit vollem blondem langen Haar. Zum Endlauf erscheint er mit Glatze, angeblich des geringeren Wasserwiderstandes wegen. Oder hat er sich die »Platte« scheren lassen, weil das ordentlich Kohle von der »Bild« brachte? Die druckt jedenfalls anderntags die Exklusiv-Story vom »Glatze-Schwimmer«.

Nun, zur Siegerehrung erscheint Lampe wieder mit Haaren, sie sind diesmal falsch - aber recht schicklich anzusehen.

Zurück zum Regel-Rebellen Spitz. Der gelernte Zahntechniker avanciert bei den Olympischen Spielen in München zum Megastar. Nach seinem Sieg über 200 Meter Freistil hält Mark Spitz – die dritte Goldmedaille baumelt um den Hals - zwei blaue Schuhe mit den drei Streifen hoch. »Ein«, wie die FAZ treffend schreibt, »nicht zwingend notwendiges Sportgerät.« Und ein Verstoß gegen den Amateur-Status. Die FAZ: »Die Sowjets fordern den Ausschluss des Amerikaners. Spitz behauptet, er habe nur aus spontaner Freude gehandelt. Das klingt lächerlich, doch IOC-Präsident Avery Brundage scheut sich, den Superstar und Landsmann auszuschließen.«

Auch im Internationalen Schwimmverband (Fina) bildet sich ein Schutztrupp um Spitz. »Wir haben nichts gesehen und gehört“« erklärt Fina-Generalsekretär (und Amerikaner) Harold Henning.

So! Die Dinge sind besprochen – und Mark Spitz hat freie Bahn für weitere vier Goldmedaillen. Nach den Spielen hört er mit Leistungssport auf, weil er »nun wirklich Geld verdienen wollte« (so sagt er es 1999 im Interview mit der Welt am Sonntag).

adidas und er bleiben sich gewogen. Mit seinem ersten Vertrag in Herzogenaurach verdient Mark Spitz 40 000 Dollar. Er wirbt unter anderem für Bademode-Ketten und einen Hersteller von Rasierapparaten. Rund zwei Millionen Dollar an Werbegeldern kassiert Spitz allein in den zwei Jahren nach 1972. »Mit mir begann die Kommerzialisierung des Sports.«

1988 beendet er dieses Kapitel seines Lebens. Als die ersten grauen Haare sprießen, rasiert sich Spitz den Schnauzer ab. »Ein Geschenk zum Valentinstag an meine Frau.«

Autor: Detlef Vetten