26. NOVEMBER 2020 DIEGO MARADONA - DER UNSTERBLICHE
In dieser Woche ist auf Ebay ein Fußballtrikot für 250 Euro ersteigert worden. Dunkelblau. Adidas. 1990. Das Jersey der argentinischen Nationalmannschaft, die im Finale der Weltmeisterschaft in Italien auf Deutschland traf. Deutschland in Adidas, Argentinien in Adidas.
Diego Maradona war das Genie des Fußballs. Unverwundbar schien er und von allen Musen geküsst. Der kleine Mann (1.65 Meter und keinen Zentimeter größer) besiegte mal in einem Luftduell einen hünenhaften englischen Torhüter – schwupps, war der Ball im Tor. Nach dem Spiel blinzelte Maradona die zornigen britischen Journalisten listig an und meinte, so sei nun mal der Sport: «Was soll gewesen sein? Ihr meint, ich hätte den Ball mit der Hand gespielt? Ach nein! Nein! Und wenn: Dann war es die Hand Gottes.»
Danach konnte man ihm nicht böse sein.
Er hat seine Nation glücklich gemacht, als er mit Argentinien Weltmeister wurde. Er hat Millionen berauscht: Schon beim Aufwärmen verzauberte er den Ball. Im Spiel trickste er den Gegnern Knoten in die Beine. Seine Tore waren Geniestreiche…
Nach der Karriere geriet Maradona auf eine fürchterliche Achterbahn des Lebens. Alkohol. Drogen. Abstürze. Öffentliche Comebacks und die nächsten Talfahrten. Der Held verlor seine unvergleichliche Körperlichkeit, aus dem Adonis wurde ein von Krankheiten geplagter Mann. Jetzt ist er gestorben.
Argentinien trägt Schwarz. Alberto Fernandez, der Präsident der Nation, schreibt: «Du hast uns an die Weltspitze geführt. Du hast uns sehr glücklich gemacht. Du warst der Größte von allen. Danke, dass es dich gab, Diego. Wir werden dich ein Leben lang vermissen.»
Die Fußballwelt ist in Trauer. Die Stadt Neapel will das Stadion San Paolo in «Maradona-Stadion» umbenennen. Dies erklärte Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris, der zudem einen Trauertag wegen des Todes des Mannes ausrief, der in Neapel seinen Ferrari in jeder Gasse abstellen konnte, ohne abzuschließen – Maradonas Dinge waren den Menschen heilig.
In mehreren Stadtvierteln Neapels waren am Mittwochabend die blauen Fahnen der SSC Neapel als Zeichen der Trauer für Maradonas Tod zu sehen. Einige Fans zeigten sich auf der Straße mit dem Trikot mit der Nummer 10, das Maradona während seiner Zeit beim SSC Neapel trug.
Corrado Ferlaino, Klubeigentümer der SSC Neapel und Arbeitgeber Maradonas Ende der 80er Jahre, bezeichnete Maradona als «Genie».
Dieses «Genie» traf also im Finale der WM 1990 auf Deutschland. DFB-Teamchef Franz Beckenbauer erklärte vor dem Match: «Burschen, mit dem Maradona wird einer allein nicht fertig. Aber irgendwer muss es machen. Also Guido – viel Glück.»
Sie haben sich ein legendäres Duell geliefert, der Schwabe Guido Buchwald und der kleine Diego Maradona mit den vielen Tricks. Es war einer besten Auftritte im Fußballerleben von Buchwald. Am Ende hatte der Deutsche dem Gegner den Schneid abgekauft. Und Deutschland gewann 1:0. Weltmeister.
Heute erinnert sich ein erschütterter Guido Buchwald: «Wir waren nach dem Spiel gemeinsam bei der Dopingkontrolle. Er, der Superstar, hatte Tränen in den Augen. Das hat mich tief beeindruckt. Weil ich begriff, wie menschlich Diego – trotz seines Ruhms, trotz des Geldes und trotz seiner Einzigartigkeit – war.»
Er mag es gar nicht begreifen, sagt Buchwald, dass dieser Maradona nicht mehr da ist. «Auch wenn er das Leben ausgereizt hat: Irgendwie hatte man das Gefühl, gleich kommt er wieder. Das muss so sein.»
Und dann fällt ein Wort, das aus den Nachrufen rund um den Globus nicht wegzudenken ist:
Maradona – «unsterblich».
Autor: Detlef Vetten