< ZURÜCK ZU AKTUELLES
2014 03 27 T114027

20. DEZEMBER 2020 HEIDE ROSENDAHL - DIE MEDAILLENJÄGERIN

„Nichts fällt leichter, als den Tag zu bestimmen, an dem Heide Rosendahl damit begann, eine deutsche Sport-Legende zu werden. Es dauerte nicht lange, nur zehn Tage.“

So steht es in der „Hall of Fame“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Und weiter:

„Es begann am 31. August 1972, und der Ort war das Olympiastadion in München. Der Tag glänzte. Als die Ernte eingefahren war, hatte die 25 Jahre alte Leverkusenerin drei Medaillen gewonnen, davon zwei aus Gold und eine aus Silber. Ihr Bekanntheitsgrad lag bei 97 Prozent, so viel wie bei Volkswagen.“

Soweit die DOSB-Eintragung. Sie hat einen kleinen Haken:

Das Jahr, in dem Heide Rosendahl wirklich ihre Legenden-Karriere begann, jährt sich heuer zum 50.en Mal. Im Dezember 1970 wurde die junge Leichtathletin von den Fachjournalisten zu Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ gewählt. Das war erstaunlich für eine Athletin, die bis auf den Sieg bei einer Universiade noch keinen nennenswerten internationalen Titel gewonnen hatte.

In Herzogenaurach ging die 23-Jährige, die für Bayer Leverkusen als Mehrkämpferin, Weitspringerin und Sprinterin startete, schon 1970 ein und aus. 1970 signierte sie ein Paar roter Spikes, das sie im Jahr zuvor von Adi Dassler auf den Fuß geschneidert bekommen hatte.

Dazu hatte er sie eigens nach Franken kommen lassen. Zusammen mit dem Zehnkämpfer Kurt Bendlin ist sie auf einem Foto zu sehen – da überqueren die Beiden synchron Hürden, die der „Chef“ auf einer mit Seifenlauge präparierten Tartanbahn aufgestellt hatte. Nach den Testläufen gaben die Athleten ihre Eindrücke zu Protokoll, daraufhin wurden ihre Schuhe „gebaut“.

Gute erfolgreiche Schuhe hat Heide Rosendahl in den Jahren darauf gehabt. Sie siegte und siegte und siegte. Höhepunkt waren die Olympischen Spiele 1972 in München.

Fünf Tage musste Gastgeber Deutschland auf die erste Goldmedaille warten – dann machte Heide Rosendahl im Weitsprung im ersten Versuch den Siegessatz von 6,78 Metern. Im Fünfkampf wurde sie Zweite.

Und dann die 4 x 100-Meter-Staffel: In einem legendären deutsch-deutschen Duell lief das Quartett um Rosendahl der hochfavorisierten DDR-Formation davon. Rosendahl war die Schlussläuferin und rettete vor Renate Stecher einen hauchdünnen Sieg (in der Weltrekordzeit von 42,81 Sekunden) ins Ziel. Beide Athletinnen in Drei-Streifen-Schuhen.

Nun war Rosendahl in der Tat eine Sportlerin, die aus der Hall of Fame nicht wegzudenken ist.

Filmangebote hat sie abgelehnt; auch in die Schlagerbranche hat sie sich nicht locken lassen. Sie ist eine, der der Ruhm nichts anhaben konnte.

Nach einem Erfolgsrezept befragt sagt sie: „Man muss ziemlich viel Disziplin besitzen und sehr zielorientiert sein. Ich stand oft vor Situationen, in denen ich mich fragte: Bekommst du das hin? Meine Antwort ist dann immer: Worauf kommt es an? Welches sind die wichtigsten Punkte? Konzentriere dich, und dann geht es auch. Wenn man erfolgreich im Sport war, traut man sich da mehr zu. Man hat immer ein gutes Gefühl im Rücken.“

Und heute?

„Es sind schwere Zeiten. Es braucht eben Disziplin, um mit Corona klar zu kommen. Ich treffe meine Enkel nicht. Wir schreiben uns per WhatsApp. Die Kinder versorgen meinen Mann John und mich. Wir gehen viel spazieren, vertreiben uns die Zeit im Garten oder mit Lesen. Es ist beängstigend, aber wir werden es hin bekommen.“

Manchmal wird sie auf das Staffelrennen von München angesprochen. Dann erzählt sie von einer großen Furcht, weil die Stecher näher und näher kam. Und von einem großen, übergroßen Glück im Ziel.

Und sie lacht, wenn sie das Foto sieht. Renate Stecher, eine Schuhlänge hinter Heide Rosendahl. „Wir liefen alle in den Streifen-Schuhen, die DDR und die BRD.

Heide setzte an diesem Nachmittag 1972 noch eins drauf. Sie hatte auch auffällige Ringelsocken.

Wer genau hinsieht, wird aber keine drei sondern nur zwei knallrote Streifen um Heides Waden ausmachen.

„Ich hatte mir so ein Paar aus den USA mitgebracht. Sie waren praktisch und haben mir einfach gefallen. Ein Hersteller aus dem Allgäu hat mir nach diesem Muster einige aus einem Material gemacht, an dem der Sand nicht klebt. Auf meinen Wunsch bekam ich von ihm eine Kiste mit 50 Paar, die bis zum Karriereende gereicht haben.“

Adi Dassler hat es gefallen. Der mochte diese Art Perfektionismus.


Autor: Detlef Vetten