In den 1960er-Jahren war adidas mit 550 Mitarbeitern der größte Sportschuhhersteller weltweit. Am Ende des Jahrzehnts produzierte die Marke mit den drei Streifen in 16 Fabriken täglich 22.000 Paar Schuhe, dennoch blieb Adi Dassler bescheiden. Nie suchte er das Rampenlicht, nur selten gab er Interviews. Viel lieber tüftelte er an seinen neuen Erfindungen und Weiterentwicklungen, dabei ging er präzise, pflichtbewusst, strukturiert und stets mit kreativem Geist ans Werk. Im Laufe der Jahre meldete er hunderte Patente und Gebrauchsmuster an, um sie vor der Konkurrenz, unter anderem vor Puma, zu schützen. Seine bekanntesten Innovationen: die stetige Weiterentwicklung der Schraubstollen für Fußballschuhe, Laufschuhe mit auswechselbaren Dornen für Leichtathleten, Nylonsohlen für Fußballschuhe sowie Nylonhalbsohlen, die eine deutliche Gewichtseinsparung ermöglichten. Adi widmete sich nie nur der Funktionalität seiner Sportschuhe, er hatte immer auch ein Auge auf deren Gewicht. Seit Anbeginn unterschieden sich seine Schuhe durch Geschmeidigkeit und Leichtigkeit von jenen der Konkurrenz. Um Adis Vorstellungen gerecht zu werden, unternahmen die Lederlieferanten alle Anstrengungen. Adi förderte damit die Entwicklung von dünnen, zugfesten und leichten Ledern. Die neuen Modelle wogen nur noch die Hälfte, Spitzenlaufschuhe nur noch 140 Gramm je Schuh. Doch nicht nur die Freude seiner neuen technischen Errungenschaften trieben ihn an, auch die damit verbundenen Erfolge »seiner« Athleten, denen er sich eng verbunden fühlte, waren für ihn Bestätigung und Motivation zugleich.
Schon in den frühen 1960er-Jahren hatte Adi begonnen, die Weiterentwicklung von Spitzensportschuhen in enger Zusammenarbeit mit Sportärzten und Orthopäden in Angriff zu nehmen. Dabei entwarf er auch Spezialanfertigungen für verletzte Fußballspieler und Leichtathleten. Uwe Seelers maßgeschneiderter Fußballschuh mit Fersenpolsterung und zusätzlicher Schnürung im Fersenbereich, ist wohl das berühmteste Beispiel. Ohne diesen Spezialschuh, den er 1966 im legendären Wembley-Spiel gegen England trug, hätte Seeler gar nicht spielen können, denn er hatte sich zuvor schwer an der Achilles-Sehne verletzt. Adi bewahrte ihn mit seinem Spezialschuh vor dem vorzeitigen Aus.
Dass Adi Dassler sich auch abseits sportlicher Ereignisse hohe Anerkennung verdiente, zeigte sich Ende des 1960er-Jahrzehnts, als ihm zwei besondere Ehrungen zu Teil wurde: 1968 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und 1974 der Bayerische Verdienstorden verliehen.
Kurz vor den Olympischen Spielen in Mexiko im Jahre 1968 wurden die Leichtathletik-Aschenbahnen durch Kunststoffbahnen abgelöst. Im trockenen Zustand waren die Beläge rau, bei feuchten Bedingungen aber rutschig. Die herkömmlichen, langen Spikes waren nicht mehr geeignet, weil sie im Kunststoffbelag stecken blieben. Adis Konkurrenz versuchte das Problem mit einer Vielzahl feiner Nadeln, dem »Bürstenschuh«, zu lösen, doch der Olympische Verband verbot diese Technik, weil für die Sportler eine zu große Verletzungsgefahr bestand. Adi ging einen anderen Weg, er entwickelte die stumpfen Dreikantelemente, die nicht in den Kunststoffbelag eindrangen und zudem die Achillessehne merklich entlasteten. Der daraus resultierende Medaillensegen, der dann schließlich bei den Olympischen Spielen 1972 in München über die Läufer kam, sprach für sich: 80 Prozent aller Medaillen, die in der Leichtathletik verliehen wurden, gingen an Sportler mit adidas-Schuhen.
1971 trugen Muhammad Ali und Joe Frazier beim »Boxkampf des Jahrhunderts« im Madison Square Garden, New York, adidas-Boxerstiefel. 1972 gewann der Amerikaner Stan Smith das Tennisturnier von Wimbledon in Schuhen von Adi Dassler. Das gleiche Modell wurde Jahrzehnte später als Teil der schon legendären »Originals«-Linie wieder lanciert und sollte sich zu einem der beliebtesten Freizeitschuhe weltweit entwickeln.
In den 1970er-Jahren, als der Sport immer professioneller wurde und mehr Geld ins Spiel kam, hatte Adi wenig Verständnis für Athleten, die nur des Geldes wegen einen Ausrüster wählten. Sein Leben lang war er durch einen Wunsch geprägt: Sportler sollten seine Schuhe tragen, weil es die besten auf dem Markt waren und sie zu den größten Erfolgen tragen würden. Das Vertrauen der Sportler in Adis Erfindergeist zeigte sich auch abseits der Wettkampfarenen. 1963 fragten einige Athleten bei ihm an, ob er ihnen nicht einen praktischen Schuh herstellen könnte, den sie in den Umkleiden oder besser noch, auch beim Duschen tragen könnten. Adi Dassler konnte; das Ergebnis war die Adilette. Damals ahnte noch niemand, dass auch dieses adidas-Produkt nicht nur ein Bestseller, sondern auch ein Klassiker werden würde, den seitdem auch Nicht-Sportler gerne im Alltag tragen.
1967 ließ er die ersten Trainingsanzüge mit den ikonischen drei Streifen anfertigen, damit die Sportler auch vor und nach ihren Einsätzen funktionale Sportkleidung tragen konnten. Intuitiv legte er damit auch den Grundstein für den Einzug von Sporttextilien in den Freizeitbereich und sorgte so gleichzeitig für eine deutlichere Sichtbarkeit der Marke.
Die 1970er-Jahre waren aber nicht nur von positiven Nachrichten geprägt. Adi war nun der letzte seiner Geschwister-Generation: Am 27.10.1974 war Adis Bruder Rudolf gestorben, im Dezember 1975 der älteste Bruder Fritz. Maria, die einzige Schwester der Dassler-Brüder, starb bereits im Juli 1958 in ihrem 64. Lebensjahr.